Esther Murbach
Notendruck gestern und heute
21.01.2014
“Nicht für die Schule, für das Leben lernen wir” – wer hat schon wieder diesen gescheiten Satz gesagt? ...
Hab’s vergessen… Murbach, Note 1! Zu unserer Gymi-Zeit war 6 die beste. Und wir hatten nicht das Gefühl, für uns zu lernen, sondern für die Noten. Resp. für die Lehrer, die hinter den Noten standen. Das Ausrechnen von Noten war für uns der wichtigste Teil der Mathematik. Bruchrechnen, Subtrahieren, Addieren, Durchschnitte. Die Einschätzung der Lehrer und ihres Verhaltens in der Notengebung hingegen war angewandte Psychologie und mindestens so wichtig wie die rein rechnerische Seite. Da lernten wir wirklich etwas fürs Leben… Mathe war immer meine Achillesferse gewesen, aber im Notenrechnen war ich Spitze. Ich kalkulierte nämlich ein halbes Jahr vor der Abschlussprüfung, dass ich es in Mathe nie auf einen grünen Zweig bringen würde. Also büffelte ich die anderen Fächer und schob in Mathe eine ruhige Kugel. Die Rechnung ging auf – Mathenote 2 im Maturzeugnis, dafür schaffte ich es in allen andern Disziplinen. Heute hat das Thema Benotung eine andere Dimension für mich. Offenbar kann ich es nicht lassen, mich wieder kritischer Beurteilung auszusetzen. Vor zwei Jahren reichte ich zum ersten Mal einen Text für einen literarischen Wettbewerb ein und tue mir das nun immer wieder an. Allerdings läuft diese Art von Benotung anders ab als in der Schule. Nicht das Zahlenbeigen, sondern die Einschätzung der Juroren ist das Kriterium. Und diese lassen sich nicht in die Karten schauen. Rein objektive Kriterien gibt es auf diesem Gebiet nicht. Wir haben das damals in Schule erlebt, wenn es um Aufsätze ging, der persönliche Geschmack des Lehrers war oft entscheidender als Stil und Grammatik. Nun liefere ich meine geistigen Kinder freiwillig einer gnadenlosen Jury aus. Es gibt nichts auszurechnen und auch der Versuch einer psychologischen Einschätzung ist müssig, weil ich die Damen und Herren nicht kenne. Also heisst es, geduldig auf die Verkündung der Longlist und Shortlist warten. Eine Nominierung wäre schon ein Erfolgserlebnis, an einen Preis zu denken ist vermessen. Bis zur Verkündung der KandidatInnen, die für den “Cúirt New Writing Prize 2014” in Galway in die Kränze kommen, vergehen noch Wochen. Schafft es eines meiner drei Gedichte auf die Longlist, steht das Fiebern auf die Shortlist an. Und falls… aber soweit soll frau gar nicht denken. Mitmachen ist alles. Im Gegensatz zur Schule heisst “keine Nominierung, kein Preis” nicht “ungenügend”, sondern ganz einfach, dass es zu viele gute PoetInnen gibt und zu wenig Preise.